Wehrt sich Wuppertal? Teil 1

Original erschienen bei TUNN:EL

Was ist passiert ?

Die Diskussion und der Protest gegen das von Stadtkämmerer Johannes Slawig, (CDU), und seinem Chef, Oberbürgermeister Peter Jung, (CDU), vorgelegte Haushaltssicherungskonzept für die Stadt Wuppertal bieten tragikomische und bizarre Facetten. Da werden Entscheidungebenen verwechselt, durcheinandergebracht und nach Motivlagen gar nicht erst gesucht; es werden Tatsachen behauptet und Fakten geschaffen; falsche Protestierer führen das Wort, während echte Betroffene nicht zu Wort kommen; und oft ist nichtmals klar, wer der eigentliche Adressat vieler Botschaften ist, die in den letzten Wochen zu hören und zu lesen waren.

+++ Rolf Schwendter – Unbefriedigt (Aufnahme v. 2008) +++

Wenig überraschend fängt die Verwirrung schon auf der Titelseite des mittlerweile meist “Sparpaket” benannten Dokuments an, für das die beiden Stadtspitzen persönlich verantwortlich zeichnen. Die valentineske Überschrift des Haushaltssicherungskonzeptes lautet “Sparen um zu gestalten”. Ein Satz wie eines der Bonmots des sehr späten Erich Honecker. Zumindest auf den ersten Blick. Seine valentineske Dimension erhält er durch die mit ihm sehr genau benannte Wahrheit, die sich hinter den Vorschlägen und Massnahmen verbirgt, mit denen auf die Haushaltslage der Stadt Wuppertal reagiert werden soll. Doch dazu später.

Don Quixottes Pleitegeier und Golfclubrebellen

Zunächst soll noch etwas zu der Ausgangsthese gesagt sein, nach der viele Aktionen gegen das “Spardiktat” wirken, als seien sie in Schilda von Don Quixotte geplant worden.

So hängt jenes, von Sancho Panza und Quixotte im letzten Jahr gegründete Bündnis “Wuppertal wehrt sich” gemalte Pleitegeier an Rathäuser, (weil ja offenbar niemand mitbekommen hat, dass da keine Kohle mehr drin ist…), demonstriert alsbald bettelnd mit wenigen Getreuen am Regierungspalast in Düsseldorf, obwohl von dort nur zynische Glückwünsche für den “Mut der Stadt, das Theater zu schliessen” (Zitat: SPD-Regierungspräsident Büssow), zu hören sind, und lässt sich sogar, wenn man den Aussagen am Rande der samstäglichen Kundgebung vor dem Schauspielhaus glauben darf, vom OB die eigene Protest-Rednerliste diktieren – angeblich untersagte OB Jung nämlich kurzerhand einen Beitrag von Schauspielintendant Christian von Treskow am Freitagmittag vor dem Barmer Rathaus.

Dann demonstrieren ca. 1.500 Leute in finnischer Kälte gegen die geplante Aufgabe des Elberfelder Schauspielhauses, erfreuen sich an einem massgeblich durch die freie Szene der Stadt gestalteten Protestmarathon von Freitagnacht bis Samstagnacht, doch die  Tatsache, dass die finanziellen Mittel für eben diese freie Szene bereits jetzt per Dekret auf nahezu Null zurückgefahren wurden, wird beinahe gleichgültig zur Kenntnis genommen. Denn anders als bei einem möglichen Beschluss zur Nicht-Sanierung, bzw. zur Schliessung des Theaterbaus in Elberfeld bedarf es dazu keiner Zustimmung durch den Stadtrat. Stadtkämmerer Slawig kann das gänzlich alleine entscheiden und hat dies auch bereits getan.

Während sich auch in Golfclubs beim abschliessenden Häppchen leicht bürgerliche Bedenken gegen ein Ende des Sprechtheaters formulieren lassen, geht der programmierte Tod der Off-Theater, Musiker und freien Veranstalter vielen von denen, die sich da am Samstagnachmittag als Kulturmenschen bekannten, scheinbar am Arsch vorbei. Da drängt sich die Frage auf, ob bei einer solchen Lage des Kulturbewusstseins in der Bevölkerung die Schliessung des Theaters in Wuppertal wirklich unzumutbar ist.

Theater für alle

Doch – natürlich. Sie ist inakzeptabel und unwürdig. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass erst, seitdem mit Christian von Treskow ein neuer Intendant das Wuppertaler Schauspiel leitet, dessen Ressourcen auch anderen und anderem zur Verfügung stehen. Hin und wieder jedenfalls. Das, was den 24-stündigen Protest am Wochenende eindrucksvoll machte, nämlich die bunte Lebendigkeit einer grossen Stadt, hatte eben über Jahre keinerlei Zugang zu den lichten Hallen bergischer Hochkultur.

Dass sich derart weite Teile der freien Wuppertaler Kulturszene so solidarisch zeigten, war also keineswegs selbstverständlich. So manche/r der, die am Samstag mit Stolz auf den eigenen Willen zum Protest herumlief, hätte deshalb eigentlich eher scham- statt zorngerötete Wangen haben müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die Zeiten der selbstgenügsamen Bräsigkeit öffentlich finanzierter Kunsttempel seit diesem Wochenende vorbei sind, und dass sich Solidarität nicht wieder einmal als tragische Einbahnstrasse erweisen wird. Es wäre wünschenswert, wenn das Haus geöffnet bliebe für den Widerstand der Wuppertaler gegen ihre kulturelle und soziale Kastrierung. Auch dann, wenn der Stadtrat das Ende des Theaters nicht absegnen sollte und nur noch jene, für die keine Gewerkschaften sprechen und auch keine Bühnenvereine mobilisieren, um ihre Existenz kämpfen müssen. Das wird seitens des Theaters auch Standhaftigkeit erfordern.

Mit einer solidarischen Haltung gegenüber Subkulturen und sozialen Initiativen wird es sich keine Freunde in der Lokalpolitik machen. Was man dort von einem politischen Stadttheater hält, lässt sich sehr gut an der verhinderten Rede des Intendanten von Treskow ablesen.

Und dass in genau jenem Moment, in dem sich das Wuppertaler Schauspiel auch für Akteure jenseits des eigenen Bühnengrabens öffnet und in dem es mit einem durchaus kontroversen Spielplan versucht, ein Theater für alle zu sein, im Barmer Rathaus offen seine Verzichtbarkeit postuliert wird, ist bezeichnend.

Wuppertal wehrt sich. Gegen Erkenntnis.

Zurück zu der Diskussion um das Haushaltssicherungskonzept und den munter verwirrten Argumentationslinien, die den Diskurs um die Zukunft der Stadt derzeit prägen.

Wenn der Schauspieler und samstägliche Protestredner Armin Rohde fordert, man solle bei den Banken einfordern, sich um die Städte zu kümmern, übersieht er, dass eine Stadt wie Wuppertal diesen Banken bereits (fast) vollständig gehört – mithin also in den verarmten Kommunen soetwas wie eine Geschäftspolitik mit eigenen Vermögenswerten umgesetzt wird. Ein Theater kann, muss aber nicht zu einem Investment passen. Wenn der frühere Intendant Holk Freytag bei der gleichen Veranstaltung dem OB Hilfe bei einer möglichen Rettung des Wuppertaler Schauspiels anbietet, verkennt er, dass seine Appelle für das Theater dort gar nicht verstanden werden – und wenn über Theater einmal geredet wird, ganz sicher nicht das seine gemeint ist..

Geschenkt. Der eine ist Schauspieler, der andere Theatermacher. Wenn jedoch ein Bündnis “Wuppertal wehrt sich”, das sich eine “politische Einflussnahme” auf die Pleitegeierfahnen geschrieben hat, permanent so tut, als liesse sich durch gemeinsames Agieren mit der Stadtspitze das Problem kommunaler Unterfinanzierung lösen, wird es bedenklich abenteurlich und auch kontraproduktiv. An wen richten sich eigentlich die Pleitegeier und Protestbanner, wenn sie ausschliesslich in Wuppertal selber zu sehen sind?

Warum wird nicht einmal nachgefragt, warum die Finanzierung der Kommunen seit Jahren erodiert? Warum wird so getan, als ob die wegbrechende Einnahmen lediglich das Ergebnis von schlecht durchgerechneten Plänen sind? Wie naiv muss man eigentlich sein, wenn man die Augen davor verschliesst, dass die desolate Lage vieler Städte das gewollte Ergebnis politischer Vorgaben ist?

Vielleicht jedoch ist diese Erkenntnis gar nicht gewollt. Es hätte ansonsten das sofortige Ende der Kollaboration mit den Jungs und Slawigs dieser Stadt zur Folge, es müsste die Systemfrage gestellt werden, die WZ würde nicht mehr freundlich von “professionellem Protest” schreiben und ein solches Bündnis könnte dann den Menschen dieser Stadt auch nicht länger vorgaukeln, dass sich “Wuppertal wehrt”. Es müsste den Wuppertalern sagen, wie es ist: Dass nämlich Peter Jung der oberste lokale Vertreter jener Partei ist, die zusammen mit den Spezialdemokraten genau die politischen Strategien auf den Weg gebracht hat, die den Menschen ihre Städte wegnehmen sollen; dass ihr Bürgermeister jene Politik, die im Endergebnis die kommunale Selbstverwaltung unterhöhlt, inhaltlich voll und ganz vertritt und dass er die Überzeugungen derer bedenkenlos teilt, die quasi-religiös alles einem Fetisch “Markt” unterordnen.

Am Ende würden die Leute zum Protestieren noch dorthin gehen, wo man sie keinesfalls sehen will: Zum eigenen Rathaus.

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