Soso. Ihr wuppt das also?

Original erschienen bei basta-wuppertal.

Was, werter Christian Boros „wuppen“ Sie denn? Vom verbratenen Werbeetat ihres Kunden mal abgesehen?

Auf der Suche nach einem griffigen Claim und einer preiswerten Kampagne für ihren Kunden, der sich zur Feier seines Rekordgewinns mal ein bisschen plustern will, haben Sie in ihrem Berliner Kunstbunker also in der hintersten Ecke der Guerilla-Marketing Mottenkiste mal nachgeschaut. Sicher haben Sie sich dann ´n Loch inn Kopp gefreut, als Ihre Agentur dort, zwischen all den abgelegten Adaptionen kreativen Marketings, die zehn Jahre alte E.ON-Kampagne gefunden hat. Denn, wenn ein Haufen roter Plakate ohne Absender das hässliche Stadtbild verschönern, würde man sowas in der heimischen Provinz ganz bestimmt noch immer für „cool“ halten.  Und sicherlich würden Tausende Wuppertaler den lieben langen Tag – und den haben ja recht viele, wie die jüngste Arbeitslosenstatistik wieder gezeigt hat – nichts anderes tun haben, als zu rätseln, wer hinter der derb-fetten Kampagne steckt. Von den lichten Höhen der Hauptstadt aus kommt es einem nämlich so vor, als würden die hier alles total pornös finden, was überall sonst schon vor zehn Jahren eigentlich nur noch zum Gähnen gewesen ist.

Das muss man dann nur noch seinem Kunden verkaufen. Doch was der Mutter des Energie-Oligopols recht war, wird dem kleinen Energieversorger aus dem Jammertal schon bilig sein. Vorhandene Restzweifel möge der eigene, gut polierte Ruf als „Werbeguru“ schon beseitigen. Und sollten die Wuppertaler dann doch etwas weniger aufgeregt auf das krasse Ratespiel reagieren als erwartet, hat man ja immer noch Kontakte zur lokalen Presse, und zu früheren Leitern des Stadtmarketings, die die gewünschte Aufregung notfalls herbeischreiben können.

Doch halt! Zum erfolgreich akquirierten Budget fehlt ja immer noch der griffige Claim. Aber war Wuppertal nicht in letzter Zeit öfter mal ein nettes Thema beim Smalltalk gewesen? Hatte man sich nicht zwischen Häppchen und Selbstweihrauch bestens erregt über die Miesepeter und Looser von der Wupper, die der Republik mit ihrem Gejammer über die kommunale Krise und ihr kaputtes Theater auf den Sack gegangen sind? Liesse sich da nicht was draus machen? Sowas total Schrilles, und Aufbauendes wie „Du bist Deutschland?“ Da waren ja auch schon Anleihen bei berühmten Vorbildern der Werbung gemacht worden. Vielleicht also „Du, Wuppertaler, du!“, oder lieber ‘was wie „wir machen das mit den Fähnchen“?

Ach, zu lang? Das passt gar nicht auf die Plakate?

Da muss einer der prekären Menschen beim Power-Brainstorming im Office „Wir wuppen das!“ gerufen haben. Und alle haben sich gebogen vor Lachen. Weil „wuppen“ so ein irre komisches Wort ist. Und weil es einer Werberseele noch immer als total endgeil gilt, mit sinnlosen Wortfetzen die Umgangssprache vollzumüllen. Und weil ihr euch alle gebogen habt vor Lachen, glaubtet ihr, den Spruch gefunden zu haben, der aus Ärger Freude, aus Krieg Frieden und aus Wuppertal ein zukunftsstrotzendes, dynamisches Dorf machen kann, für das man sich nicht mehr schämen muss. Und so habt ihr dann den Werbeetat „gewuppt“.

Doch ihr habt den Schuss nicht gehört. Denn seitdem Oberbürgermeister allen Ernstes „Sparen um zu gestalten“ auf ihre Totsparpakete schreiben, seit die Bundesregierung kommunale Kürzungen und neuerliche Beutezüge ihrer Freunde aus der Wirtschaft als „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ verkauft, und seit „Mehr Brutto vom Netto“ die Republik regiert, geht die Doppelung sinnentleerten Blahs den Leuten zunehmend auf die Nerven. Das enthirnte Gesabbel und die „motivierenden“ Sprüche gleichen aufmunternde Schlägen auf die Schultern der armen Schweine – bei denen der bigott Wohlmeinende aufpassen muss, nichts aus seinem Cocktailglas zu verschütten, während sich die Aufzumunternden an ihren trockenen Brotkrümeln von der „Tafel“ fast verschlucken. Sowas kommt nicht mehr so besonders gut.

Die Zeiten haben sich geändert. Es ist vorbei. Mit dem Wortgeklingel, das alleine schon reichen soll, bessere Laune zu verbreiten. Mit dem Glauben, dass Leute wie Christian Boros irgendetwas für die Leute dieser Stadt tun würden oder könnten. Mit der Verblödung, die noch den letzten Einschnitt in die Lebensqualität der Menschen zu einer prima Schönheitsoperation umdeuten möchte. Es ist vorbei. Vielleicht noch nicht bei allen, aber bei immer mehr Leuten schrillt bei sowas wie ihrer coolen Kampagne nur noch der persönliche Verarschungsalarm. Und die anderen, die Gutmütigen, die sitzen jetzt da, und warten darauf, das Sie das jetzt auch „wuppen“.

Also, Christian Boros – was „wuppen“ Sie denn? Stellen Sie den Leuten vom Ölberg, denen mit dem Freibad Mirke ihr letztes Freizeitrefugium genommen wird, ihren Pool zur Verfügung? Bieten Sie ihre teure Kunst jetzt zum Kauf an, um mit dem Erlös die Wuppertaler Kultur zu fördern? Bringen Sie wenigstens ihren vermeintlichen Kunden dazu, endlich bezahlbare Nahverkehrstickets anzubieten?

Also, was „wuppen“ Sie?

Was wir „wuppen“, wissen wir. Wir „wuppen“ den Widerstand gegen den Kahlschlag unserer urbanen Strukturen und den Ausverkauf unserer Stadt, und wir „wuppen“ die Selbstermächtigung der Wuppertaler gegen anmassende Profiteure eines Systems, das die Stadt in die Situation gebracht hat, in der sie ist.

P.S.: Dass ausgerechnet die Firma „Stroer“, (deren skandalös profitabler Vertrag zur Stadtwerbung mit der Stadt Wuppertal einer der vielen Gründe für die Stadt ist, auf urbane Herausforderungen hilflos zu reagieren), die Werbeträger für Ihre „coolen“ Reklameplakate stellt, ist ein Treppenwitz der besonderen Art. Wer wissen möchte, warum, kann hier mal reinlesen.

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Publiziert: Juni 7th, 2010
Rubrik: kiez und umgebung, lüge und wahn, tv-eye und flat brains
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