SECHS JAHRE BLEIMÜTZE

Wuppertal hat gewählt. Oder auch nicht.
Zur Strafe gibt’s Bleimütze. Nicht unter sechs Jahren. von um3000

Wir sind ja Wessis. Deshalb wissen wir es natürlich nicht so genau. Aber irgendwie so muss es sich doch angefühlt haben, drüben, so nach den Kommunalwahlen im August, September von zwanzig Jahren, oder? Stillstand. Perspektivlosigkeit. Leere Parolen und Durchhaltephrasen. Oder? Einseitige und unvollständige Berichterstattung der Presse, scheinbare Zustimmung der Bevölkerung obschon doch alle wissen, dass die Dinge nicht gut stehen, vorhersehbare Wahlausgänge. Oder?

Jetzt haben wir wieder Bleimütze. Aus Küllenhahn. Bleimütze wird die ehemals grosse Stadt sechs weitere Jahre lang auf sein geliebtes H0-Format-Idyll eindampfen können. Bleimütze wird weiter omnipräsent und ceaușescuesk aus jedem zweiten Foto der Lokalpresse herausgrinsen. Beim Karneval. Beim Wandern. Mit Kindern. Mit Alten. Mit Partei-Urgesteinen. Selbst dann, wenn es sich dabei gar nicht um Urgesteine seiner Bleimützen-Partei, sondern um welche der konkurrierenden Korrumpel-Partei handelt. Bleimütze wird weiter so tun können, als ob er sich für die Belange der Stadt einsetzte, und uns einzureden versuchen, er riskiere eine dicke Lippe bei der “Macht”, die er “hinter sich weiss”, um irgendeine kommunale Fähigkeit des Handelns wiederherzustellen. Dabei tut er dann so, als wäre es nicht gerade seine “Macht” – …die Bleimütze hinter sich weiss… – die seit Jahren systematisch kommunale Handlungsspielräume aushöhlt, zerbröselt und plattwalzt, damit die Blei- und Mützenwirtschaft sich das Allgemeinvermögen der Städter im Zuge von Privatisierungen unter den Nagel reissen kann.

Bleimütze wird weiter kommunale Ordnungsdienste und die Polizei einsetzen, um sich seine kleine Märklin-Welt nicht von urbanen Randfiguren verschandeln lassen, und er wird jetzt verkünden, was er vor der Wahl nicht wusste, nun aber weiss, nämlich dass es ab jetzt gar nix mehr für solche gibt. Für die anderen aber auch nicht. Kurz – er wird sein umfassendes Zerstörungswerk fortsetzen und vollenden, garniert mit einer unerträglichen Bigotterie und Schmierigkeit. Er wird auf uns lasten und Kopfschmerzen verursachen wie eine… Bleimütze eben.

Weiter geht’s damit, Stadträume zu privatisieren, auf dass nur noch Kunden sich in ihnen aufhalten dürfen, weiter geht’s damit, Dinge die mal allen gehörten, an Konzerne zu verhökern, damit mit den Verkaufserlösen deren Komplizen ästhetische Katastrophen auf Plätze und in freie Flächen bauen können, und weiter geht’s mit dem tollen Plan, Wuppertal zum deutschlandweiten Knast-Kompetenzzentrum zu machen. Das ist sowieso die beste Idee von allen, die Bleimütze vertritt. Man muss nur die Synergieeffekte zu nutzen wissen. Falls mal jemand aufmuckt.

Aber jetzt mal im Ernst: Wie kann es sein, dass in einer Stadt, die mittlerweile zu den Armenhäusern des Landes gehört – allgemein ja sowieso, und was die persönlichen Insolvenzen betrifft ebenfalls – und deren steter Niedergang mittlerweile selbst den Scheuklappenhändlern aus dem Verlagshaus am Otto-Haussmann-Ring aufgefallen ist, während die agierenden Lokal-Politiker sich hauptsächlich durch geheime und riskante Cross-Border-Lasingverträge, verheimlichte Listen beabsichtigter Einsparungen oder platteste Korruption auszeichnen, nach einer Wahl alles so ist, wie vor der Wahl? Wie lässt sich an einem solchen Ort ein Kommunal-Wahlergebnis von 98,85% Zustimmung erklären? Ups. Schuldschung. Das war ja jetzt wieder die andere…

Schon klar. Das läuft hier anders ab. Etwa durch simples Verschweigen von Alternativen in der Lokalpresse. Durch vorgeblich alternativlose Politikentscheidungen im Vorfeld. Durch das fröhliche Befördern resignativer Grundhaltungen. Da ist das im Vergleich etwas unelegante Fälschen von Ergebnissen dann gar nicht mehr nötig. Die Leute machen freiwillig, was erwünscht ist, auch wenn sie eigentlich gegen einen teuren Ausbau einer zentralen Kreuzung oder einen neuen Jugendknast im Naherholungsgebiet sind. Deswegen werden noch lange nicht die gewählt, die es anprangern, dass Teile der Stadtwerke verkauft werden, um den Döppersberg zu finanzieren oder dass dafür auch noch Förderungen von Kiezen und Initiativen gestrichen werden müssen. Sie wählen besinnungslos die lokale Einfalts-Front, oder sie wählen gar nicht.

Selbst schuld. Die meisten verdienen nichts anderes als Bleimütze. Und die anderen? Machen eben das, was die drüben auch gemacht haben. Weggehen. Obwohl da niemand ist, der ihnen Begrüssungsgeld zahlt. So betrachtet, braucht diese Stadt erst Recht kein repräsentatives Entrée am Döppersberg, sondern nur einen vernünftigen Ausgang.

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Publiziert: September 2nd, 2009
Rubrik: kiez und umgebung, lüge und wahn, zorn und selbstkontrolle
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