GUTE NACHT, FREUNDE…

Glückwunsch, Nichtraucher. Seit jetzt einer Woche habt ihr nun die Mehrzahl der gastronomischen Einrichtungen auch in NRW für euch allein. Und? Schon prächtig gefeiert? Mit ‘nem kecken Glas Sprudel, oder habt ihr es mal so richtig krachen lassen, und euch ein Glas Rotwein geteilt? Hat’s Spass gemacht, recht alleine in der Kaschemme zu hocken und dem Treiben fröhlicher Menschen vor der Türe zuzusehen? Aber so kann es nicht lange weitergehen. Ist ja heute schon scheisse kalt draussen. Deswegen müssen wir dann jetzt mal los, obwohl es manchmal doch ganz nett war mit euch. Doch halt – “…was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette, und ein letztes Glas im Stehen…”

+++ gute nacht, freunde – mey +++

Rauchen

Also zünde ich mir jetzt erstmal eine an – während ihr eure Kalorien zählt, hier und da missmutig kleine Fältchen an euren neoliberal durchgefitteten Körpern betrachtet und euch an jeder Wegbiegung Sorgen um die Volksgesundheit macht – ziehe den Rauch tief ein, lasse ihn ein wenig wirken und blase ihn anschliessend ganz langsam schräg nach oben, damit ich ihn noch eine Weile durchs Zimmer ziehen sehen kann. Die im Aschenbecher abgelegte Zigarette produziert währenddessen dünne, blassblaugraue Rauchkringel, die sanft zwischen Tastatur und Monitor im fahlen Lichtschein durchs Büro tanzen, Gedanken und Assoziationen mit sich nehmend. Ein Raucherporno eben…

Derart angeregt, denke ich darüber nach, wie es so weit kommen konnte. Von den, bedeutungsvoll an den feuerlosen Bogart gereichten, Streichhölzern einer Bacall in “To Have and Have not” bis zur neuerdings behaupteten Verwandtschaft einer gerauchten Zigarette mit einem Gewalt-Gangbang. Zumindest, was Zeigbarkeit in Hollywood -Filmen oder im ZDF-Fernsehgarten angeht. Oder euren Schrecken über “öffentlich” konsumiertes Nikotin betrifft.

Was ihr nicht mehr begreift, weil euch eine Blödness-Industrie ein Paket von Selbstzweifel und Komplex an den Hals gehängt hat: Rauchen ist eine perfekte Zeiteinheit, vor dem Verlassen eines Ortes, zum Fassen eines Gedankens, zwischen einer Mahlzeit und dem folgenden Schnaps. Rauchen ist cool, weil Menschen, die inhalieren und dann kontemplativ den Rauch aus ihren Lungen entlassen, einfach gut und ernsthaft aussehen. Rauchen ist romantisch, weil orangerot aufleuchtende Zigarettenspitzen in der Dunkelheit eines runtergedimmten Raumes kleine Leuchtfeuer des Wachbleibens in einer uns gehörenden Nacht sind. Rauchen macht Freunde, weil gemeinsamer Konsum einer Zigarette ein sozialer Akt ist, der tatsächlich die Kommunikation anregt – und weil kollektives Berauschen ein Wesensmerkmal höherer Lebensformen ist. Seit langen Zeiten. Seit ganz langen Zeiten. Eigentlich schon immer.

Das alles wird euch aber wenig interessieren. Ihr werdet jetzt Sachen machen, die ihr euch schon ewig gewünscht habt: Mit euren Zwergen im Familienkreis in dunklen Blueskneipen abhängen. Endlich mal einen Chefsalat in der Pommesbude um die Ecke essen. Eure allerletzten Wellness-Erfahrungen oder eure Bätzing-Sammelbildchen hinter den Butzenscheiben einer eichegetäfelten deutschen Eckkneipe austauschen. Apropos Bätzing! Eine sozialdemokratische Drogenbeauftragte! Was ein wahnhaftes Konstrukt…

Ihr würdet jetzt bestimmt auch gerne mal in eine richtige Disko gehen – jetzt, wo ausser der Nebelmaschine nichts mehr qualmt. Eigentlich schon gerne, wenn’s da nicht so laut wäre, oder? Aber keine Sorge – gab’s nicht auch schonmal einen sozialdemokratischen Popbeauftragten?

So – zuende geraucht. Ich treffe mich jetzt gleich mit ein paar Freunden im Raucherclub um die Ecke. Schliesslich dient der Besuch einer Gaststätte dem Rausch. Gerne auch dem Vollen. Wenn ihr uns mal wiedersehen wollt – kein Problem – kommt doch vorbei. Wenn ihr zwischendurch dann mal frische Luft braucht, können wir uns gerne auch für ‘ne Weile vor die Tür stellen. in diesem Sinne – gute Nacht, Freunde…

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Publiziert: Juli 9th, 2008
Rubrik: kultur und alltag, lüge und wahn
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