EIN KLEINER SIEG

Von Der graue Block

In der Nacht von Freitag auf Samstag kam es im Wuppertaler Autonomen Zentrum (AZ) während eines Konzertes zu einer Razzia des Wuppertaler Ordnungsamtes, die vorgeblich aus Sorge um den Jugendschutz durchgeführt wurde.

Bei Gastronomie-Kontrollen, die mal der Lebensmittelüberwachung, mal einer Überprüfung der Arbeitsverhältnisse oder eben auch dem Jugendschutz dienen sollen, fordert das kommunale Ordnungsamt gerne polizeiliche Mittel zur Unterstützung an, sobald es um unübersichtlichere Szenegastronomie geht. Das Auftreten der Einsatzkräfte bei der Durchführung dieser Kontrollen lässt beim Beobachter jedoch zuoft den Eindruck entstehen, dass hier unter dem Deckmantel eines “Gesundheits-” oder auch “Jugendschutzes” eigentlich Ausländer- und Sicherheitsbehörden agieren – dass tatsächlich also das kommunale Ordnungsamt zur Amtshilfe gebeten wird, und nicht umgekehrt. Seine Rolle ist häufig, die Jagd auf illegal lebende Küchenhilfen und kleine Dazuverdiener mit triumphal erbeuteten Küchenresten möglichst öffentlichkeitswirksam zu kaschieren. Auf diese Weise kann notfalls eine – gelegentlich aufkommende – Solidarität gerade anwesender Gäste mit den überprüften Aushilfen durch eklige Berichte über skandalöse Funde auf dem Küchenboden konterkarriert werden – und hilft das nicht, stehen schliesslich noch immer die uniformierten Amtshelfer drohend in der Szene.

Reicht den Ordnungsamts-Kontrolleuren bei “normalen” Kontrollbesuchen in der Regel jedoch die Anwesenheit von 8 – 10 Polizisten aus, so mussten es bei der “Jugendschutz-Kontrolle” des AZ in der Freitagnacht 140 Bereitschaftspolizisten aus W-Tal, Bochum und Essen sein, zuzüglich diverser Feuerwehrleute und einiger Zollbeamter, die in dem selbstverwalteten Haus skurrilerweise angeblich nach Schwarzarbeitern suchten. Die Aktion endete mit der vorhersehbaren Räumung des AZ, der Ingewahrsamnahme von 5 Minderjährigen – (von ca. 150 Anwesenden) – einer sehr fadenscheinig begründeten Beschlagnahme von Notebooks, Getränkevorräten und des grossen Mischpults, sowie vielfältiger Beschädigung von Inventar.

Im zeitlichen Umfeld eines näherrückenden 1. Mai, einer europaweiten Mobilisierung gegen den bevorstehenden NATO-Gipfel in Strasbourg, aber auch eines im nächsten Jahr auslaufenden Nutzungsvertrages für das AZ – dessen blosse Existenz ein Hindernis für die neoliberale Vermarktung des ehemaligen Tankstellengeländes an der Gathe darstellt – lässt sich der skandalös anmutende Angriff von über einhundert Uniformierten auf ein schlichtes Konzert überhaupt nicht anders einschätzen, als dass er der Einschüchterung, der Kontrolle und einer Informationsgewinnung der Sicherheitsbehörden dienen sollte. Zumal selbst das Ordnungsamt via Monopolblatt am Montag verkündete, im AZ keine “unhaltbaren Zustände” vorgefunden zu haben.

Die Vorgänge von Freitagnacht reihen sich ein in eine Serie von eskalierender staatlicher und städtischer Autorität, die selbstverwaltete Räume und damit potentielle Keimzellen beginnenden Widerstands im Visier hat.

Nachdem es bereits in der Nacht zu Samstag eine spontane Demonstration von ca. 80 Leuten gegen diese Repressionsstrategie in der Elberfelder Innenstadt gegeben hatte, fand am Montag hierzu eine weitere Kundgebung statt. Am ehemaligen “Brunnen” in der Elberfelder Fussgängerzone, dort, wo vor einem Vierteljahrhundert noch regelmässig Demonstrationen, Punktreffen und viele Auseinandersetzungen stattfanden, und wo auch der Kampf um ein AZ für “das Haus e.V.” ein Treibmittel für die jugendliche Rebellion der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen war, versammelten sich am frühen Montagabend etwa 250 Leute, um gegen das nächtliche Vorgehen des Ordnungsamtes und der Polizei zu protestieren. Ein Match auf historischem Geläuf, sozusagen.

Doch der innerstädtisch zentrale “Brunnen” existiert schon lange nicht mehr. An seiner Stelle befindet sich mittlerweile der Eingangsbereich eines jener neoliberalen Projekte einer “Stadtentwicklung”, (die sogenannten “City-Arkaden”), die früher öffentliche Aktionsflächen immer mehr zu privatisierten urbanen Zonen machen, zu denen missliebige Personen, Konsumverweigerer und Randgruppen keinen Zutritt mehr haben.

In diesen sedierten Stadträumen, in denen Einzelhandelskonzerne Hausrecht ausüben und wo Stadtluft schon lange nicht mehr frei macht, kann organisierter Protest kaum legal stattfinden. Er muss sich – anders als vor 25 Jahren – somit an den Rändern des städtischen Alltags artikulieren, wodurch er weitestgehend aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit ferngehalten wird, und – bei Bedarf – auch ohne allzu grosse Aufmerksamkeit gezielt zerschlagen werden kann. Auch am Montag wurde in den Nebenstrassen der Fussgängerzone, rund um den Kauftempel, ein massloses Polizeiaufgebot bereitgehalten.

Wannen

 

City-Arkaden

 

Ansprache

Doch nicht nur der Stadtraum hat sich verändert. Waren in den Achtzigern auch häufig Ältere “am Brunnen” anzutreffen, die für die Dynamik und Stärke der damaligen “Jugendbewegung” eine wichtige Rolle spielten, so lassen jene, die seinerzeit von der Solidarität profitierten, diese heute selbst vermissen. Anstatt sich zu zeigen, und damit zu demonstrieren, dass damals Erreichtes nicht kampflos hergeschenkt wird, nur weil man selber älter geworden ist, werden die zumeist Jugendlichen, die heute das damals erkämpfte Autonome Zentrum wieder verteidigen müssen, mit ihrem Protest weitgehend alleingelassen. Von einzelnen wenigen Ergrauten abgesehen, wurde durch Abwesenheit geglänzt. Was ist los? Zuviel zu verlieren, wie in einem Wortbeitrag durch einen der damals Aktiven vermutet wurde?

Dabei ist ein Ignorieren heutiger Auseinandersetzungen der Jungen durch eine ehemals kämpferische Generation nicht nur persönlich fragwürdig, es ist auch strategisch völlig daneben. Kommende gesellschaftliche Konflikte werden ebensowenig wie früher in Elternbeiräten, Interessenverbänden, Ausschüssen oder anderen Kungelrunden gewonnen werden können, sondern auf der Strasse. Gemeinsam oder gar nicht.

Never Again

 

Verpisst Euch

Dennoch war die Demonstration am Montagabend nach den gefühlten und tatsächlichen Rückschlägen der letzten Zeit ein erster kleiner Sieg. Die Kundgebung konnte diesmal nicht wegen fehlender Versammlungsleiter oder nicht erfolgter Anmeldung verhindert werden, was auch einer klugen Orts- und Zeitwahl zuzuschreiben ist, da vor den “City-Arkaden” inzwischen seit Jahren jeden Montag um 1800 Uhr ein tapferes Häuflein angemeldet gegen die Hartz IV-Gesetze protestiert. (Ihnen wäre es zu wünschen, dass sich häufiger mehrere hundert Menschen durch dieses Angebot zur Demonstration animiert fühlen. Ein offenes Mikrophon wird bereitgehalten.)

Auch kam die grossartige Do-it-yourself-Handwagenbeschallung zum richtigen Zeitpunkt, um mit einem schlau vorbereiteten Infotrack die nachhauseeilenden Passanten über den unschönen Anlass des Protestes zu unterrichten, und um die triste Ein-Euro-Wüste, die die Shoppingmalls im öffentlichen Raum hinterlassen haben, musikalisch so zu verschönern, dass sich zwischenzeitlich bis zu 400 Leute dem spontanen Demonstrationszug quer durch die Elberfelder City anschlossen. Begleitet von Einsatzkräften, die immer mal wieder ihre Formationsfähigkeiten unter Beweis stellen mussten, erreichte die Menge gegen 2000 Uhr unbehelligt das Autonome Zentrum an der Gathe. Angesichts der enormen Friedfertigkeit des Ganzen, so blieben auf dem Weg liegende Banken, am Fahrbahnrand geparkte Porsches und andere umzingelte Luxuskarossen völlig unbeschädigt, muss das Aufgebot der Staatsmacht übrgens als paranoid bezeichnet werden.

Neumarkt

 

Hochstrasse

 

Karlstrasse

Der Montagabend war eine – für lokale Verhältnisse – recht grosse, starke Demonstration dafür, dass noch was geht in der Stadt. Es war also ein Anfang. Auch, weil sich auf der Strecke dann doch noch ein paar “aus dem Action-Alter Hinausgewachsene” fanden, die ein Stück mitgingen.

Um in den Auseinandersetzungen der Zukunft bestehen zu können, und um reale Angriffsfähigkeiten zurückzuerlangen, muss diese Basis jedoch strategisch vergrössert werden. Die nächste Gelegenheit dazu kommt spätestens in sechs Wochen am 1. Mai.

Artikel zur Razzia im AZ bei Indymedia
Artikel zur Demonstration bei Indymedia

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Publiziert: März 19th, 2009
Rubrik: kiez und umgebung, plan und aktivismus
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