SCHMIERENTHEATER GEHT WEITER

Als hier vor einigen Wochen dazu aufgerufen wurde, die Einladung zum “Schulterschluss” zwischen dem Wuppertaler Oberbürgermeister Peter Jung und der “freien Kulturszene” der Stadt zurückzuweisen und die Gespräche über die Zukunft der freien Kultur abzubrechen, weil die Stadt Wuppertal mit der Streichung fast aller Mittel ihren Anspruch auf Kooperation aufzugeben habe, war bereits absehbar, dass es zu einem so starken Zeichen nicht würde kommen können. Was nicht nur am vereinzelt kritisierten “kassiberartigen” Ton des Aufrufs gelegen haben dürfte. Vielmehr sind die Einzelinteressen mancher, die noch immer glauben, durch Kollaboration dem kollektiv verordneten kulturellen Kahlschlag entkommen zu können, zu ausgeprägt, und die solidarischen Impulse der Musiker, Maler, Schreiber und Kulturarbeiter zu verkümmert, als dass sich ein politisches Bewusstsein und ein daraus resultierendes Handeln im gemeinsamen Widerstand hätte entwickeln können.

Erschreckend, wieviele Teilnehmer der – das offizielle Treffen mit dem Oberbürgermeister vorbereitenden – Versammlung der Kulturszene die Meinung vertraten, eine Aufgabe der Gespräche bedeute auch die Aufgabe der letzten echten Option auf Verständigung, und ernüchternd, wie wenig einige der Anwesenden in der Realität sozialer und kultureller Demontagen angekommen sind. Vom Widerstandsgeist der alten Off-Kultur, die immerhin die Ausgangsbasis der sich heute vielfach als Kulturdienstleistung verstehenden “freien Kulturszene” gewesen ist, war zumindest an der Oberfläche wenig bis nichts zu spüren. Widerspruch gegen den Weg einer fortgesetzten Kooperation mit eben jener Stadtspitze, die soeben die letzten Krumen des ohnehin nicht gerade üppigen Kuchens, der der Kultur in Wuppertal zugedacht war, vom Tisch gewischt hat, artikulierte sich spät und wurde letztlich auch nicht massgeblich für das Ergebnis der Versammlung – dafür sorgte schon eine Regie, die auf ein Mandat zum Gespräch mit Oberbürger Peter Jung festgelegt war.

Autistisch und strategisch dumm wurde es dann aber bei der Frage nach der Ausgestaltung des “Spitzengespräches”, das Dienstag, den 16.03. im einstmals wichtigen sozio-kulturellen Zentrum “die Börse” an der Wolkenburg tatsächlich stattfand. Anstatt sich am 15.03. mit einem eigenen Demo-Block am stattfindenden Protest gegen das Wuppertaler Sparkonzept am Barmer Rathaus zu beteiligen, versuchte man für den Tag danach eigene Aktionen im Rahmen des “Schulterschlusstreffens” zu initiieren.

Herausgekommen ist dabei eine Performance, bei der durch die Darstellung des eigenen Sterbens darauf aufmerksam gemacht werden sollte, dass die finanziellen Streichungen die Existenz der Kulturschaffenden gefährden. Prima. Das war dem Oberbürgermeister bis zum 16.03. wahrscheinlich nicht bewusst und musste nur mal gesagt werden.

Wäre es nicht so tragisch, man müsste sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen.

Nicht nur, dass angedrohte Selbstmorde und melodramatisches Hinweisen auf eigenes Leid zumeist völlig wirkungslos verpuffen, weil sie den Adressaten der Botschaften herzlich egal sind, es geschieht auch noch zu Recht. Wer sich derart defensiv und egozentrisch verhält, hat es nicht verdient, dass seinem Schicksal allzuviel Aufmerksamkeit zuteil wird. Anstatt kämpferische Forderungen zu formulieren und etwa einen Kulturstreik ins Auge zu fassen, wird lieber die erprobte Kunst des Lamentierens fortgeführt und auf eine Einsicht der Politik gehofft, die doch nur eine längst vorgegebene Agenda umsetzt.

Das Ergebnis unreflektierten und unpolitischen Handelns lässt sich inzwischen bestaunen, denn der allgegenwärtige Oberbürgermeister Peter Jung kam offenbar besser vorbereitet zum Treffen mit der “freien Kulturszene” als seine Gesprächspartner. Wie man hört, soll es eine “Lösung” des “Kulturproblems” geben, die der allgemeinen Beruhigung dienen soll und darüberhinaus auch den fortgesetzten Einfluss der bankrotten Stadt auf die Kulturszene absichern wird. Mangels eigener Mittel ist anscheinend geplant, das städtische Kulturbüro, das ohne zu verteilende Gelder eigentlich sofort geschlossen werden müsste, zum Verteiler privaten Kultursponsorings zu machen. Eine entsprechende Vereinbarung mit der örtlichen Stadtsparkasse – dem grössten Kultur-Sponsoren in Wuppertal – scheint bereits getroffen worden zu sein. Damit wird nicht nur sichergestellt, dass die überflüssigen Posten des der Kultur gewidmeten Ressorts erhalten bleiben, es bedeutet auch, dass die Stadtverwaltung auch zukünftig eine inhaltliche Kontrollfunktion behält. Ohne eigene Mittel ist das schon ein besonderes “Kunst”-Stück purer lokaler Machtpolitik.

Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dieser weitere Skandal städtischer Kulturpolitik – und nichts anderes ist der Versuch, auch weiterhin marketingstrategische Nützlinge fördern zu können, wo eine Förderung eigentlich gar nicht mehr stattfindet – zu einem Aufbegehren der Betroffenen führen wird. Zu gut funktioniert die Politik des “Teile und Herrsche”. Das zeigt sich bereits jetzt bei den marginalen, aber machtpolitisch effektiven Zugeständnissen der zwei grossen, die Stadtratsmehrheit tragenden Parteien, die noch rechtzeitig vor der Demonstration am Rathaus verkündeten, einzelnen Streichungen im Sozialbereich nicht zustimmen zu wollen, von denen auch “die Börse” betroffen wäre. Die Spaltung der Szene ist damit auf dem Weg, auch wenn das Volumen der infrage gestellten Einsparungen mit 700.000 Euro nichtmals ein Prozent des ganzen Konzeptes zur “Sicherung des städtischen Haushalts” ausmacht.

Die Kultur dieser Stadt stirbt nicht. Sie ist schon tot. Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass Leben voraussetzt, dass der oder die Betroffene überhaupt noch etwas merkt. Ob das in Wuppertal noch der Fall ist, darf bezweifelt werden – auf allen Seiten. Wie anders könnte man zum Beispiel erklären, dass das Stadtmarketing rechtzeitig zum Welttheatertreffen am letzten Samstag, das dem bundesweiten Protest gegen die beabsichtigte Aufgabe des Schauspielhauses gewidmet war, kleine Stadtpläne ausgelegt hat, mit denen den vielen auswärtigen Besuchern der Protestveranstaltungen vollmundig erklärt werden sollte, “was ihnen Wuppertal so alles bietet” und in dem sie dazu aufgefordert werden, sich vom “kulturellen Angebot der Stadt begeistern zu lassen”? Schöner lässt sich die Verdrängung der Wirklichkeit nicht illustrieren, als mit dieser ideal platzierten Stadtwerbung.

Es bleibt, darauf zu hoffen, dass die, die doch noch etwas merken, sich am gerade erst findenden Widerstand gegen die neoliberale kommunale Bankrottpolitik beteiligen werden. Es reicht jetzt mit dem Schmierentheater, den Tricksereien, dem verbreiteten Autismus und der Suche nach dem eigenen Vorteil. Oder kurz: “Basta!”

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