TV-EYE – ARTE-TIP – MARADONA
Schon morgen, also Samstag, 31.05., wiederholt ARTE bereits um 14°° Uhr nochmals eine Dokumentation in Filmlänge über Diego Maradona. Dieser wahrhaft phantastische Film aus dem Jahr 2006, der kurz vor der WM bereits einmal ausgestrahlt wurde, erzählt die einzigartige Geschichte von Diego Armando Maradona so voller Anteilnahme, dass es jedem wirklichen Fussballfan mehrfach Tränen der Rührung in die Augen treibt – auch beim wiederholten Ansehen.

Neben sensationellen, teilweise noch nie gesehen Aufnahmen aus Argentinien, legendären Toren, ausgelassenen, zuvor selbst herausgeszauberten Gross-Chancen, menschenverachtenden Fouls – (Goikoetxea, der “Schlächter von Bilbao” !!!) – und ebensolchen Geschäftspraktiken, zeigt der Film vor allem die Bedeutung Maradonas für ein Argentinien unter wechselnden unfähigen Staatschefs, für ein benachteiligtes Süditalien mit seinem Underdogverein SSC Neapel, und für Fusballfans weltweit, die Maradona bis zum heutigen Tag als einen der ihren betrachten.
Durch die filmische Erzählung zu Maradonas Karriere, seiner Herkunft, seiner Leiden und seiner Fehltritte, arbeitet der TV-Bericht – so gut wie zuvor nur sehr selten ein Film – heraus, was, im Gegensatz dazu, heutiger, “moderner” Fussball bedeutet.
Der Weltstar Diego Maradona war der letzte seiner Art. Erschien einem der entfachte Hype um Diego zu seiner aktiven Zeit – vor allem nach seinem Wechsel nach Europa – schon damals als zuviel, so haben doch erst die Jahre, die seinem Karriereende folgten, deutlich gemacht, wie die Magie, die Fussball einmal ausgemacht hat, tatsächlich noch zerstört werden sollte.
Maradona war der letzte Weltstar, der nur deshalb zum Weltstar wurde, weil er gerne und sehr, sehr gut Fussball gespielt hat – nicht, weil er für Ausrüster und Premium -Sponsoren gut gepasst hätte. Für diese war er Zeit seiner aktiven Laufbahn – und auch danach – eher kontraproduktiv. Diego Armando Maradona war immer – und er ist es noch, wie die Bilder der WM gezeigt haben – einer von denen, die allwöchentlich in irgendeiner Kurve stehen – mit allen Fehlern, allen Emotionen, aller Überheblichkeit und Dummheit, die normalen Menschen zu schaffen machen. Und gleichzeitig mit einer Lust am Rausch, einem Empfinden für den einen Moment des Glücks und einer unberechenbaren Hingabe, die nicht in Berechnungen einer Wirtschaftlichkeit ausgedrückt werden können.
Nach Maradona haben sie sich ihre neuen Weltstars herangezüchtet. All’ die Ronaldos, Beckhams und Ballacks, die alle die gleichen Rhetorik-Seminare für Nachwuchsleuchten durchlaufen, die ihre Deals mit der Boulevardpresse machen und die auch noch in der edelsten V.I.P.-Lounge fein herzeigbar sind. Die, die ihrem Ausrüster zuliebe – zwecks Markteroberung – mal eben den Verein wechseln und doch niemals zu einem Kleine-Leute-Club wie Napoli gehen würden. Die, die nichts geben, ausser einem unterhaltsamen Kick und bunten Meldungen auf den Society-Seiten der Zeitungen. Nichts sonst, und schon gar keine Liebe.
Die FIFA hat im Zusammenspiel mit Adidas, Nike und anderen aus Diego gelernt und die – im Vergleich zu ihr fast volkstümliche – Mafia weitestgehend aus dem Geschäft gedrängt. Ein Diego Armando Maradona – einer der nie vergessen hat, wo er hergekommen ist, und der weder von den gegnerischen Abwehrspielern, noch von Aktiengesellschaften kontrollierbar gewesen ist – sollte ihnen nie wieder passieren…
Als Maradona noch aktiv gekickt hat, konnte ich ihn nicht übermässig schätzen, was mir heute noch leidtut – zu überlegen war er im Vergleich zu meinen damaligen Helden. Heute jedoch liebe ich ihn. Tausend-, ach was, hunderttausendmal lieber sehe ich einen havanarauchenden Diego im blau-weissen Trikot auf der Tribüne des WM-Stadions, als einen weichgespülten, zweibeinigen Markenartikel bei einer geckenhaften FIFA-Gala. Sie haben ihn nie geliebt. Bezeichnend, dass die FIFA Diegos (Internet-) Volkswahl zum Fussballer des Jahrhunderts im Jahr 2000 nicht einfach akzeptiert hat, sondern ihm per Order der Funktionäre stattdessen den erektionsgestörten Pele vorzog.
Maradona, der Goldjunge – Film von Jean-Christophe Rosé ARTE, 31.05.2008, 14°° Uhr
Wer das noch nicht gesehen hat: Angucken. Echt.
O Mamma, mamma, mamma – O Mamma, mamma, mamma
sai perchè mi batte il corazon – Ho visto Maradona,
ho visto Maradona, ho visto Maradona, ed innamorato son!
Video aus der Curva des SSC Neapel anlässlich von Maradonas Besuch an alter
Wirkungsstätte nach seiner Genesung zu Ciro Ferraras Abschiedsspiel im Jahr 2005.
Das Stadio San Paolo war an diesem Tag mit über 70.000 Zuschauern ausverkauft.
Persönliches P.S. für den Billy Bragg vom Ölberg: Falls du den Film verpasst – ich werde ihn wohl auch als Oldschool-VHS aufnehmen…
Rubrik: kultur und alltag, tv-eye und flat brains
Schlagworte: ARTE, FIFA, Maradona, SSC Neapel
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