sturm im rotweinglas

“Joschka Fischer ist beerdigt”, (Cohn-Bendit in der taz), “Die Grünen entwickeln sich fröhlich zurück zur Illusionärspartei”, (FAZ), “unerträgliche Kultur des Basis-Populismus”, (Leipziger Volkszeitung), “Die Grünen verlassen (…) den realpolitischen Kurs, den sie seit 1999 verfolgt haben.”, (nochmal die taz) – was war passiert, dass sich die bürgerlichen Medien derart überschlagen? Eine längst überfällige Abrechnug mit dem siebenjährigem Verrat aller Prinzipien? Eine endlich korrekte, nachträgliche historische Einordnung des grünen Aussenministers a.D. als Kriegstreiber? Parteiausschlussverfahren gegen eine, anscheinend virtuell noch immer regierende, Funktionärsclique? Nichts von alldem. Nichts, ausser einem grünentypischen, folgenlosen Sturm im Rotweinglas.

Zugegeben, es hat Spass gemacht, zuzusehen, wie auf der ausserplanmässigen Bundesdelegierten-Konferenz am Samstag ein zunehmend entgleister Cohn-Bendit während seiner gebrüllten Forderung nach Zustimmung zum Kampffliegereinsatz ausgebuht wurde. Es war vergnüglich, zu sehen, wie ein mit blauem Binder angetretener Bütikofer diesmal mit hohlem Menschenrechtsgeschwafel auf Granit biss – (was bei einem, der seine politische Karriere im Kommunistischen Bund Westdeutschlands begann, und als KBWler solch ausgewiesene Menschrenrechtsexperten wie den Bruder Nr.1, Pol Pot oder Idi Amin Dada unterstützte, auch mal allerhöchste Zeit war) – und es erfüllte mit Befriedigung, dass selbst die Partei-Glucke Roth diesmal nicht in der Lage war, einen Konflikt mit ihrer emotionalen Wirrnis zuzudecken. Das war es aber auch.

Und das kennt man auch schon. Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder, dass die Basis der Grünliberalen bei folgenlosen Entscheidungen – (und folgenlos und halbherzig ist diese verweigerte Zustimmung zum Afghanistan-Leitantrag der Parteispitze) – ihr Mütchen kühlt. Aber nur, um danach regelmässig umso handzahmer mit den zuvor “Abgestraften” umzugehen und mit grüner Ergebenheit zu ertragen, dass diese eben nicht gewillt sind, Parteitagsbeschlüsse auch umzusetzen. Dieses Kunststück wurde diesmal sogar schon geschafft, während noch gebuht wurde.

Denn anders, als in den meisten Pressekommentaren suggeriert, hat der Sonderparteitag der Grünen sich mitnichten gegen eine Fortführung von ISAF und OEF in Afghanistan ausgesprochen. Vielmahr hatte jener Antrag der Grünen Friedensinitiative, der einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan in der ersten Jahreshälfte 2008 forderte und damit tatsächlich ein Ende des kriegsbefürwortenden Kurses der Partei bedeutet hätte, keinerlei Chance auf Annahme, sodass den Abgeordneten die Möglichkeit erhalten blieb, sich bei der anstehenden Abstimmung im Bundestag einfach zu enthalten.

Gar nichts deutet demnach daraufhin, dass in absehbarer Zeit eine kritische Auseinandersetzung des ehemals “linksalternativen Projektes” mit der eigenen Geschichte stattfinden wird, wenig Aussicht besteht darauf, dass der eigene Anteil an einer, durch sieben Jahre Schröderfischer erzeugten, kapitalistischen “Alternativlosigkeit” aufgearbeitet werden wird.

Anstatt selbstkritisch zu hinterfragen, wie die rot-grüne Regierungs-Politik sämtliche Hoffnungen auf einen gerechten gesellschaftlichen Wandel durch Wahlen auf Jahre hinaus diskreditiert hat, anstatt die eigene Rolle ernsthaft zu reflektieren, die man bei der Remilitarisierung deutscher Aussenpolitik spielte, oder mit der man dem Staatsapparat immer weitergehende Befugnisse zugestand – (auf deren Basis Schäubles STASI 2.0-Projekt überhaupt erst entstehen konnte) – anstatt mit irgendetwas davon mal anzufangen, und mit den dafür verantwortlichen Ödlingen, von Fischer bis Kuhn, abzurechnen, wird mit der samstäglichen “Ja und Nein”- Vorgabe für eine Abstimmung, bei der es auf die Grünen gar nicht ankommt, wieder mal rein symbolisch aufgemuckt, und in der Folge nervendes Maulheldentum praktiziert werden.

Wir werden es schon sehen, erst recht, nachdem die bürgerliche Presse ihre Kübel ausgeschüttet, und das orwellsche Hohlsprech der anderen Blockparteien erneut klargemacht hat, wie wenig Spielraum einer Organisation zugestanden wird, die sich auf die Spielregeln des Sytems einlässt.

Solange die Grünen – ihre Basis, ihre Wählerschaft – sich die grosse Lebenslüge, der sie 1998 endgültig aufgesessen sind, und auf die ihre Führung jahrelang zielstrebig hinarbeitete, nicht bewusst machen, solange wird man sie nicht anders wahrnehmen können, als als kleinbürgerliche Mittelstandspartei, die die Wohlstandssicherung ihrer Klientel mit der Forderung nach qualitativen Lebensmitteln zu kombinieren weiss.

Man wird sie schlicht nicht ernstnehmen können – auch, wenn es manchmal Spass macht, ihren kleinen, folgenlosen Rebellionen zuzusehen.

 

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Publiziert: September 17th, 2007
Rubrik: lüge und wahn, zorn und selbstkontrolle
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