Endlich wird über vor Italiens Küste Ertrinkende mal angemessen berichtet!
Beinahe im Wochenrhythmus saufen im Mittelmeer Menschen ab. Mal sind es einzelne, mal ein Dutzend, manchmal auch Hunderte, die nach einem Untergang erbärmlich verrecken. Konfus und in Panik erleben sie ihre letzten Minuten, alleingelassen von allen die helfen könnten und müssten. Und oft ist ihr Schicksal den Medien nur eine Kurzmeldung wert.
Doch es ist ein mediales Wunder geschehen. Obschon die Anzahl der Opfer diesmal eher übersichtlich ist, steht das Schiffsunglück vor Italiens Küste im Fokus des Interesses. Keine Nachrichtensendung, in der die Katastrophe auf See nicht der Aufmacher wäre; es gibt Live-Schalten zum Unglücksort; Gerettete dürfen vor laufenden Kameras von ihrer Angst und über die traumatische Situation reden; die Pressekonferenz der örtlichen Behörden wird live bei Phoenix gesendet. Dafür wird sogar der tausendste Hintergrundbericht zum korrupten Bundespräsidenten unterbrochen.
Nachdem auch 2011 wieder tausende Frauen, Männer und Kinder jämmerlich in den Fluten des Mittelmeers ertrunken sind, wurde es aber auch Zeit, dass sich die Medien im neuen Jahr dieses fortwährenden Dramas einmal angemessen annehmen.
Wie? Kein mediales Wunder? Es geht gar nicht um Flüchtlinge auf dem unsicheren Weg nach Europa? Was sagt ihr? Ihr berichtet nur, weil es keine Neger und Araber sind? Weil es sich um welche “von uns” handelt? Weil ja sogar “Deutsche” verletzt worden seien? Weil die, die da jetzt Pech hatten und vielleicht einen unfähigen Skipper, ja nur ein “wohlverdientes schönes Leben” mit Häppchen und Drinks haben wollten, das ihnen von denen, über die ihr sonst nicht berichtet, weggenommen werden soll, bloß weil die auch etwas vom Buffet haben wollen?
Da gucken die Leute jetzt zu, sagt ihr, und bei jenen anderen eben nicht? Außer vielleicht mal bei nem Samstagabendkrimi? Ach, geht mir weg.
Ihr seid einfach ein verlogenes, rassistisches Pack!
Nachbemerkung an alle Kreuzfahrtler, Angehörige und Traumschiff-Freunde:
Dass jetzt welche von euch ertrunken sind oder doch wenigstens beinahe, und währenddessen Todesängste erlitten, tut natürlich leid. Auch teilen wir die Klagen über einen offenbar unverantwortlichen Käpt’n, fehlende Rettungsboote, schlechtes Essen und stümperhafte Bordkapellen. Auch wenn euch der Urlaub an Bord eines Kreuzfahrtschiffes nur einen Bruchteil dessen kostet, was ein afrikanischer Flüchtling für eine einfache Überfahrt zu zahlen hat. Gemessen an dem, was ihr jeweils besitzt.
Schön wäre es aber, wenn ihr euch in Zukunft aus dieser Erfahrung heraus mit Nachdruck für gleiche Standards für alle über das Mittelmeer fahrenden Menschen einsetzen würdet. Und den Traumschiff-Fernsehanstalten könntet ihr dann gleich auch mal die Meinung sagen.
Rubrik: lüge und wahn, tv-eye und flat brains
Schlagworte: Ertrinkende, Fernsehen, Flüchtlinge, Kreuzfahrt, verlogenes Pack
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