SCHWEINESYSTEM KRANK
Am Freitag findet der 1.Mai statt.

Auch morgen findet der 1.Mai wieder statt. Selbst die neuerdings in Herdenstärke durchs mediale Dorf getriebenen grippekranken Säue werden das nicht verhindern können. Dafür war’s dann doch etwas spät.
Darüberhinaus hätte sich das schwer erkrankte Schweinesystem jedoch kaum etwas dringlicher wünschen können, als eine sich pandemisch ausbreitende Verunsicherung, die einmal nichts mit Bankstern und Krisen zu tun hat. Nicht nur, dass zukünftig eine politisch unverdächtige Krankheit für den zunehmenden wirtschaftlichen Exodus verantwortlich gemacht werden kann – geschürte Infektionsängste liessen sich notfalls auch hervorragend einsetzen, um grössere Menschenansammlungen zu erschweren, oder – besser noch – aus hygienischen Gründen ganz zu verbieten. Und mit viel Glück rafft eine mögliche Seuche ja auch noch ein paar Millionen Hungerleider in der dritten Welt dahin, deren Versorgung man sich in solch schweren Zeiten somit sparen könnte. Wie gesagt, soetwas hätte sich das Schweinesystem selber nicht besser ausdenken können…
Für morgen allerdings kommen die beiden gestern live bei einer TV-Pressekonferenz erkrankten, und prompt vom CSU-Söder missbrauchten Bayern zu spät. Der 1.Mai fällt nicht aus. Und wir sollten zahlreich dabeisein, solange man sich noch auf der Strasse versammeln darf, ohne dass einem die Bundeswehr zwangsweise ein Fieberthermometer reinrammt.
Seit hier über den polizeilichen Überfall auf die 2008er Ausgabe der traditionellen autonomen 1.Mai-Demo in Wuppertal berichtet wurde, haben sich jenseits dieser lokalen Auseinandersetzung derartig viele Gründe dafür ergeben, an diesem 1.Mai auf die Strasse zu gehen, dass es den Rahmen des nur sporadisch betexteten UMLOG sprengte, sie nochmal alle aufzuzählen. Mit einem Tempo, dass selbst den Autor überrascht hat, haben sich seitdem die allgemeinen Entwicklungen beschleunigt. Fast schon prophetisch muten jedenfalls inzwischen einige Aussagen des “grauen Blocks” im Artikel zur letztjährigen Demo an:
Seither hat nicht nur der Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Darstellung des kapitalistischen Systems einen binsenartigen Status erlangt, es sind auch in Wuppertal selbst einige der sozialen Realitäten in den Alltag der Stadt eingebrochen. Doch die, die diese Realitäten zu verantworten haben, stehen weiter bereit, wenn es darum geht, die fragile und lähmende Harmonie aufrechtzuerhalten. Hierzu trauen sie sich sogar unter das Fussvolk des DGB, der für Freitag ab 12 Uhr auf den Laurentiusplatz einlädt. Dass Arbeitern, Arbeitslosen und allen anderen sowieso, einige Sonderzüge französischer Kollegen als Kundgebungs-Gäste willkommener wären, als der momentane Vorsitzende jener Partei, die sich bereis vor und seit achtzig Jahren der Entsolidarisierung und Demobilisierung im Interesse des Kapitals verschrieben hat*, oder gar als der ceauşescunesk omnipräsente Oberbügelmeister der Stadt, müsste eigentlich auch den Gewerkschaftsführern inzwischen klargeworden sein. Doch was anderes als solch illustre Rednerliste soll man schon von Funktionären erwarten dürfen, die sich noch letzte Woche im Rahmen der Conti-Hauptversammlung in Hannover für verbalen Protest französischer Kollegen bei ihren Chefs entschuldigen?

*: SPD-Parteizeitung am 29.04.1929
(Der “Blutmai” – zusätzliche Infos dazu in den Kommentaren)
Das sollte einen dennoch nicht davon abhalten, vor dem Treffen am AZ, (14 Uhr, Gathe), erst einmal auf dem Laurentiusplatz vorbeizuschauen. Erstens bekommt man wohl eine schöne Motivationshilfe mit auf den Weg zur revolutionären 1.Mai-Demo – schliesslich spricht mit Müntefering einer der Hauptschuldigen der Junta, und mit Peter Jung tritt u.A. einer der Drahtzieher der phantastischen Cross-Border-Leasing-Geschäfte der Kommune auf – und zweitens könnte sich ja sogar die Chance ergeben, einzelne Teilnehmer der DGB-Maifeier unmittelbar abzuholen, denen der zu erwartende Wortmüll der offiziell eingeladenen “Arbeiterführer” auf die Nerven fällt. Einen Versuch ist es allemal wert.
Solidarité!

Aus dem Aufruf zur autonomen 1.Demonstration in Wuppertal am 01.05.2009
…auf der Straße gegen Privatisierung und Sozialkahlschläge. Jeglicher Privatisierungsprozess ist immer ein Prozess der Abschaffung öffentlicher Kontrolle. Aber auch staatliche Kontrolle enthält immer Momente von Ausschluss, da eine wirkliche Mitbestimmung nicht existiert. Im Zuge der Debatte um Verstaatlichung oder Einkauf des Staates in Unternehmen wie die Hypo Real Estate wird sich daran nichts ändern, da die Parteien und Staatsbeamten lediglich im Rahmen der kapitalistischen Sachzwänge bereit sind zu handeln.
Es geht um die Garantie der gesellschaftlichen Infrastruktur und soziale Sicherheit für ALLE, statt Garantien für Banken und Groß-Unternehmen. Es geht um Basisdemokratie und Vergesellschaftung der Produktionsmittel anstatt Verstaatlichung. Milliarden werden in die Aufrechterhaltung des Kapitalismus und den mit ihm verbundenen Unterdrückungsapparat gesteckt, um uns auf der anderen Seite allen Ernstes zu erzählen, es sei kein Geld da für bestehende soziale Errungenschaften wie z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe aber auch Jugendzentren, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen. Alles wird nach dem kapitalistischen Prinzip berechnet und bewertet. Da Investitionen in soziale und kulturelle Einrichtungen aber keinen Profit einstreichen, werden sie einfach gegen Null gekürzt.
Wir können nicht darauf hoffen, dass wir durch Bitten ein paar mehr Cent zugeworfen kriegen. Wir fragen nicht nach mehr Geld sondern stellen das System in Frage.(…)”
Update 1:
Der EA Wuppertal ist während und nach der autonomen 1. Mai-Demonstration in Wuppertal unter der bekannten Nummer 0202 455 192 zu erreichen.
Auf der Seite des Ermittlungs-Ausschuss findet sich auch ein kleines FAQ dazu, wie man sich auf eine Demonstration vorbereitet. Bitte beherzigt die Hinweise im “Demo 1×1“.
Update 2:
Es gibt einen offenen Brief der “Stiftung W” an Oberbürgermeister und Polizeidirektor Wuppertals zur automen 1.Mai Demonstration 2009
Rubrik: kiez und umgebung, plan und aktivismus
Schlagworte: 1.Mai, Autonome, Schweinesystem, Wuppertal
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